Leseprobe C. Riehle


Das Expertendilemma – ein Plädoyer für eine wirksame INTERdisziplin


Experten sind Menschen, die sich auf irgendeine Weise Spezialwissen angeeignet haben, wobei „Wissen“ in der Regel mehr als das Kennen von Zahlen, Daten, Fakten bedeutet. Denn der gute Ruf eines Experten lebt in besonderem Maße von seinem Anwenderwissen und seiner praktischen Erfahrung. Expertise ist daher immer verbunden mit Zuständigkeit für etwas. Mann oder Frau ist zuständig für ein bestimmtes Fachgebiet, für eine bestimmte Methodik, für bestimmte Prozesse. Als Experte habe ich mir sozusagen einen „Claim“ abgesteckt, den ich theoretisch wie praktisch bearbeite, für den ich mich verantwortlich fühle und den ich auch gegen Angriffe verteidige.

Auf diesem abgesteckten Areal wird umgegraben, gebohrt und nach Erkenntnis geschürft. Natürlich bin ich nicht allein, sondern ich habe Verbündete, Gleichgesinnte, bisweilen auch Konkurrenten, die ähnliche bis fast gleiche Claims beackern, um die fruchtbarsten Plätze zu besetzen und nach den wertvollsten Bodenschätzen bzw. Erkenntnissen zu graben. Während früher manche „Nuggets“ fast schon sichtbar, aber auf jeden Fall mit vergleichsweise wenig Aufwand zu ernten waren, müssen heute die Stollen schon recht weit in die Tiefe vorgetrieben werden, um neue Einsichten und Erkenntnisse „ans Tageslicht“ zu fördern.

Das Gefundene wie das Erfundene wird dem Wissensarchiv hinzugefügt - „Wissen“ verstanden in Anführungszeichen, da über die Unterscheidung Daten-Information-Wissen noch zu reden sein wird - und der Vereinsclaim der Gleichgesinnten, Verbündeten und Konkurrenten trifft sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch, zur Inspiration, manchmal auch „Ideenklau“, um sich und das Erschürfte zu präsentieren (was ist wohl wichtiger? Die Frage beschleicht einen als Zuhörer gelegentlich …). Erlebtes wie neu Erdachtes mit dem Ausblick auf Zukünftiges wird in solchen „Claim-Conferences“ besprochen, um „sich“ zu inspirieren und „sich“ weitertragen zu lassen. Hier sollen die Anführungszeichen zum Verweilen einladen, denn „s-ich“ könnte ja die Kurzform von „sein Ich“ sein – liest man den letzten Satz aus dieser Perspektive, ändert sich etwas …


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