Leseprobe H.-R. Fischer


BABEL - Von der Vieldeutigkeit der Zeichen /oder Worte Oder
vom Verstehen des Nicht-Verstehens im Film Babel


IM ANFANG war das Wort

Wer kennt sie nicht, die Momente, in denen sich Sprache als unzulänglich erweist, unsere Gedanken oder Gefühle verständlich auszudrücken? Wer war noch nicht darüber bestürzt, welch abgrundtiefes Missverstehen es selbst in nahen Beziehungen gibt? Liegt es daran, dass wir nicht dieselbe Sprache sprechen und die Zeichen dieser Welt unterschiedlich deuten? Wir wissen viel und verstehen wenig. Wie lässt sich Verstehen verstehen? Ist das Verstehen des Anderen nicht mehr als das Verstehen seiner Sprache? Wie sehr das der Fall ist, zeigt der Film Babel vom mexikanischen Regisseur Iñárritu in seinen Episoden über familiären Umgang mit Schuld, Tod, Angst und existenzieller Einsamkeit. In keinem Film der letzten Jahre wurde die Kunst des Verstehens so brillant zelebriert. Ein herausragend guter Film, der zeigt, wie biografisches Verstehen funktioniert.

FILM: Kurzgeschichte

Eine Waffe zieht ihre Kreise. Ein japanischer Geschäftsmann schenkt sein Jagdgewehr seinem marokkanischen Jagdführer. Die Winchester erweist sich als Danaergeschenk. Ein Schuss aus dieser Waffe trifft eine Amerikanerin in Afrika und löst einen Dominoeffekt aus, der fünf Familien – fünf Geschichten – auf drei Kontinenten tragisch miteinander verbindet. Ist es die Folge von Missverständnissen? Ist es „Zufall“, ist es Fügung oder einfach nur Kontingenz? Wie lässt sich verstehen, was passiert ist? Ein Kreis von Kreisen tut sich auf. Das Drehbuch trifft mit dem Schuss ins Herz der Verstehensproblematik. Was lösen die Ereignisse in den betroffenen Familien aus, wie sind sie zu erklären, wie zu verstehen? Wer hat die Kette deterministischer Ereignisse zu verantworten, wer hat Schuld? Die Frage, wie dem, was uns widerfährt, Sinn zu geben ist, ist auch die Frage nach dem Verstehen.


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